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Grüne Salpetersäure

Von Wilfried Schuler 

Nachdem der grüne Wasserstoff etwas schwächelt, treibt ihn nun der grüne Ammoniak vor sich her, durch das Dorf der Leichtgläubigen.  Grüner Ammoniak als Energieüberträger, als Treibstoff, der Hoffnungsträger und der Superdünger, der die Menschheit vor dem Hunger gerettet hat. Die ersten beiden Punkte sind falsch, der letzte bedarf der Erklärung.

Eine Pflanze nimmt nur Nitrat auf. Dieses Nitrat wird im Erdreich durch Nitrifizierungsbakterien erst aus Ammoniak gebildet. Das ist die tatsächliche Abfolge der Düngung. Und die historische Entwicklung der Nitrat/Ammoniak Chemie verlief genauso. Wilhelm Ostwald, der herausragende Chemiker seiner Zeit, entwickelte sein Salpetersäureverfahren und diente es der Reichskriegsleitung an. Der Bedarf für Salpetersäure war militärisch. Der geniale Stratege Ostwald führte Haber auf den Weg zum Vorprodukt der Salpetersäure, dem Ammoniak. Es tut der Leistung von Dr. Fritz Haber keinen Abbruch, aber ohne die Führung aus dem Hintergrund hätte es sein Verfahren so nicht gegeben. Mehr dazu bei Anderweltonline: 
https://www.anderweltonline.com/wissenschaft-und-technik/wissenschaft-und-technik-2023/krieg-wasserstoff-ammoniak-und-das-haber-bosch-verfahren/   

Etwas über Gewitter

Seit es eine Atmosphäre und damit das Wetter gibt, kommt es zu elektrostatischen Aufladungen in den Wolken, die sich anschließend wieder entladen. Im Alltag wird diese Erscheinung Gewitter genannt. Eine sichtbare Erscheinung des Gewitters ist der Blitz.

Die Wissenschaft hat über Jahrzehnte Daten gesammelt. Man weiß heute, dass bis zu hundert Blitzentladungen pro Sekunde weltweit auftreten. Es gibt mehr Gewitter in den Tropen als in den höheren Breiten. Allerdings dauern die nichttropischen Gewitter durch Seitenwindversatz bedingt länger und setzen deshalb mehr Energie frei. In den Wolken werden große Energiemengen ausgetauscht, man hat Ströme von über 30.000 Ampere und Spannungen von hunderttausend Volt beobachtet. Das Produkt aus Stromstärke und Spannung ist die elektrische Leistung P, mit der Maßeinheit Watt. Man kann leicht ausrechnen, dass gewaltige Energien im Spiel sind. Die elektrische Leistung der Blitze liegt im Bereich von Gigawatt.

Eine zweite Erscheinung, die durch die Entladung hervorgerufen wird, ist der Donner. Eine schockartige Abfolge von Verdichtungen der Luft. Schallwellen übertragen mechanische Energie in Form von Longitudinalwellen. Schwingungen in der Fortpflanzungsrichtung.  Bei einem richtigen Gewitter wackelt buchstäblich die Wand. Etwa die Hälfte aller Blitze entladen sich in der Atmosphäre. Der Rest schlägt auf der Erde oder in Gewässern ein. Es kann auch von der Erde in den Himmel blitzen.

Die Luft brennt

Die hohen Temperaturen lösen chemische Reaktionen zwischen Sauerstoff und Stickstoff aus, die mit den folgenden Gleichungen vereinfachend beschrieben werden können.

N2 + O2  -------> 2 NO

2 NO + O2 ------> 2 NO2

Es entstehen noch eine Reihe weiterer Stickstoff-Sauerstoff Verbindungen, die alle im Gleichgewicht miteinander stehen. Diese Details sind aber für das grundlegende Verständnis des Vorgangs nicht wesentlich.

3 NO2 + H2O---- 2 HNO3 + NO 

2 No + O2 -------  2 NO2            dann reagiert NO2 wieder mit H2O 

Die entstehende Salpetersäure regnet mit dem Niederschlag zur Erde. Bei einer postulierten Menge von 20 Millionen Tonnen Stickstoffmonoxid p.a., deren Bildung in zeitlich und räumlich begrenzten Arealen stattfinden, sind das 50 Millionen Tonnen Ammonsalpeter. Eine lokale Düngewirkung wäre durchaus möglich. Sehr alte erfahrene Bauern bezeichneten die Wetterlage der frühen Sommergewitter als „Wachsendes Wetter“. Junge Mädchen wurden damit verspottet, dass sie noch etwas auf die Sommerweide müssten. Diese alten Bauern hatten nicht nur einen derben Humor, sondern offenbar Gespür und waren scharfe Beobachter.

Die Wissenschaft tritt auf den Plan

Den englischen Forschern Cavendish und Priestley gelang es 1784 Stickstoffoxide und daraus Salpetersäure herzustellen, indem sie eine Abfolge von starken Funkenentladungen auslösten. Mangels apparativer Möglichkeiten wurden aber keine Versuche zur kommerziellen Nutzung unternommen. Zwar meldete eine Madame Lefèvre in Paris 1859 ein Patent an - „Manufacturing of nitric acid“ - , aber dieser Prozess lag noch weit in der Zukunft. Wie viele Patente, war es nur ein Versuchsballon.

Die norwegischen Chemiker Kristian Birkeland und Sam Eyde bauten 1903 eine Apparatur aus 2 koaxialen wassergekühlten Kupferrohren und erzeugten mit einer Spannung von 5000 Volt einen Lichtbogen. Der Lichtbogen wurde mit Hilfe eines Magneten zu einer flachen Scheibe verformt. Durch das entstandene Plasma wurde Luft geleitet. Bei über 3000°C lief die oben beschriebene Reaktion ab und es bildeten sich etwa 5% Stickoxide. Die Geschwindigkeit des Luftstroms war so gewählt, dass die heiße Zone schnell durchströmt wurde. Damit wurde die Rückreaktion, also der Zerfall des Stickstoffmonoxids unterdrückt. Das Gasgemisch wurde abgekühlt und mit Frischluft gemischt. Das Stickstoffmonoxid reagiert dann im Verlauf von 30-60 Sekunden zu Stickstoffdioxid ab.  Die Gasmischung wurde von unten in eine mit Füllkörpern beschickte Glasröhre geleitet und durch entgegenkommendes Wasser zu Salpetersäure aufgelöst. 

Grüne Salpetersäure aus Luft und Wasser und grünem Strom

Die beiden Erfinder, insbesondere Sam Eyde, waren auch tüchtige Unternehmer und bauten eine kleine Anlage in Notodden, die im Mai 1905 in Betrieb ging.  Später kam eine Großanlage in Rjukan hinzu. Bei der Ansicht des Fabrikgebäudes fallen die mächtigen Absorptionstürme auf, die über 4 Stockwerke hoch sind. Sie sind aus Granit gebaut, die Rieselkörper im Inneren bestehen aus Quarz. Die Türme lieferten eine ca. 40%ige Säure, die durch Destillation aufkonzentriert wurde. Da die letzten Gas-Reste schwer aus der Abluft zu absorbieren waren, benutze man hierfür Rieselkörper aus Kalkstein, die sich nach und nach auflösten. So erhielt man eine Lösung von Kalksalpeter. Diese Lösung wurde durch Eindampfen zum sogenannten norwegischen Salpeter konzentriert, ein geschätztes Düngemittel.

Das Kennzeichen des Birkeland-Eyde Verfahrens ist sein immenser Verbrauch an elektrischer Energie. Kein Land auf dem Kontinent hätte daran denken können, Strom in solchen Mengen dafür bereit zu stellen. Man trug schon schwer am Frank Caro Verfahren, (Calciumcarbid), an der Chlor-Alkali Elektrolyse und der wachsenden Aluminiumherstellung. Alles wahre Stromfresser. Mehr ging nicht.

Norwegen mit seinem großen Potential an Wasserkraft bot sich an. Und so begann die Produktion der Salpetersäure aus Luft und Wasser. Unterdessen hatte Wilhelm Ostwald seinen Prozess der Ammoniak Verbrennung entwickelt, dem es vorerst noch am Rohstoff mangelte. Als aber mit dem Aufkommen des Haber -Bosch Verfahrens reichlich Ammoniak verfügbar wurde, konnte das Birkeland Verfahren auf längere Sicht nicht kostendeckend arbeiten. Seine Bedeutung, die ohnehin auf Skandinavien beschränkt war, ging zurück. 1940 wurde die Produktion eingestellt. Die Gebäude gibt es immer noch. Bauwerke für die Ewigkeit. 

Der Birkeland-Eyde Prozess ist ein über viele Jahre hinweg bewährtes Verfahren, mit dem bedeutende Mengen an Salpetersäure und Kalksalpeter hergestellt wurden. Zwar ist er in der Öffentlichkeit nicht bekannt, aber es existieren durchaus Forschergruppen, die sich noch, oder wieder, mit ihm befassen. Ein Feld für die Plasmatechnologie und die Mikrowellentechnik. 

Grüne Salpetersäure

Das Birkeland Eyde Verfahren leidet vor allem an seinem hohen Strombedarf von 15 KWh/kg Salpetersäure. Zwar ist der Energiebedarf für Ammoniak mit 10 KWh/kg auch erheblich, durch die Oxidation und Wasseranlagerung entsteht aber aus Ammoniak die 3,7-fache Menge Salpetersäure. Der Energieaufwand für den Ammoniak wird sozusagen verdünnt.

NH3    Molmasse 17g/mol       HNO3   Molmasse 63g/mol  

Das als Rohstoff eingesetzte Ammoniak würde deshalb mit 2,7 KWh/kg bei der Herstellung der Salpetersäure eingehen.

Es gibt weitere Großverbraucher für Elektrizität in der Technik, wie die Chlor-Alkali Elektrolyse, die Phosphorherstellung und vor allem die Aluminiumherstellung, die mit 14 KWh/ kg auch kräftig auf die Energie Pauke hauen.

Warum sollte man nicht an einen Neuanfang bei der grünen Salpetersäure denken. Damit könnten bis zu 70% aller Haber-Bosch-Anlagen und der adäquaten Teil der Ostwald-Bauer Fabriken überflüssig werden.  200-300 Millionen Tonnen Kohlendioxid entstünden nicht und müssten nicht in die Erde verpresst werden. Eine bedeutende Energie- und Geldersparnis. 

Auch für Anton Hofreiter und seine wilde Schar fiele einiges ab. Die Herstellung der Grundstoffe Toluol, Glycerin, Cellulose, Urotropin und Erythrit könnte vollbiologisch gestellt werden. Dann könnte man grünes TNT, Nitroglycerin, Cordit, Hexogen und Penta herstellen. Die grünen Garden würden die Munition mit dem Lastenrad an die Front bringen. Und die Granaten mit recycelbaren Elektropanzern verschossen. Alles DIN 22000 zertifiziert.

Wir brechen eine Lanze für das Birkeland Eyde Verfahren

Als Stopp Signal für alle Feilscher muss man hier die grandiose Verschwendungssucht der grünen Technokraten anführen. Die Idee des grünen Wasserstoffs und des grünen Ammoniaks lebt geradezu davon. Nach dem Motto „Die Sonne schickt keine Rechnung“. Die Lieferanten der Anlagen tun das aber wohl. Und die Banken, die den Kredit geben, erst recht.

Man elektrolysiert Wasser und vernichtet 89% der Ausbeute in Form des Sauerstoffs. Der erhaltene Wasserstoff, 11% der Ausbeute, wird verflüssigt, wobei vollkommen inakzeptable Energiemengen verloren gehen. 

Multipliziert man die Wirkungsgrade der Elektrolyse (65%) und der Brennstoffzelle (65%) also 0,65 x 0,65 = 0,42, so wird ersichtlich, dass aus 10 KWh Sonnenstrom in der Wüste 4,2 KWh Strom in Berlin werden. Hierbei sind die sonstigen Verluste noch nicht berücksichtigt.

Die Idee des grünen Ammoniaks beruht darauf, dass man milliardenteure Haber-Bosch-Anlagen baut, nur um eine Mogelpackung zu fertigen, die zu 83% aus Tara besteht (Stickstoff) und nur 17% Nettoinhalt hat (Wasserstoff). In Europa angekommen, muss man mit noch mehr Energie und Zeitaufwand diese Packung knacken, wobei der Inhalt verschmutzt wird und das, was übrig bleibt nochmals gereinigt werden muss.

Sollte diese unselige Idee jemals in die Tat umgesetzt werden, würden hunderte Millionen Tonnen australischer Stickstoff nutzlos, aber keinesfalls umsonst, um die Welt geschippert werden. 

Angesichts dieser Orgie der Verschwendung sollte es möglich sein, auch dem viel direkteren Birkeland-Eyde Verfahren eine Chance zu geben.

Dann würde der Produktionsbaum der Düngemittel mächtig ergrünen.

Literaturhinweis:

Hollemann Wiberg, Lehrbuch der Anorganischen Chemie             
Ullmann, Enzyklopädie der Technischen Chemie 

Erklärung des Autors

Dieser Artikel wurde aus einer Laune heraus mit klassischem Lehrbuchwissen begonnen und in seiner Thematik so definiert wie er anschließend entstanden ist. Recherchen im Internet waren zunächst rein technisch und sachbezogen. Erst später tauchten Artikel wie die beigefügten auf. Wir legen Wert darauf, deren Inhalt nicht zu kopieren. Es ist auffällig, dass das Thema von den Medien stiefmütterlich behandelt wird. Die bei ähnliche Projekten übliche Jubelstimmung fehlt. Dabei sind Indikatoren des Erfolgs zu erkennen.  Hier wäre ein adäquater Anteil, der sonst bis zum Überdruss reichenden Werbung gut platziert. 

Hier können Sie weiterführende Artikel einsehen oder als PDF herunterladen: 
https://corporate.evonik.com/de/dungen-mit-wind-171422.html 
Vom Birkeland-Eyde-Verfahren zum energieeffizienten plasmabasierten NOX Synthese: Eine techno-ö konomische Analyse: Als PDF herunterladen hier ankliucken.  
https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/journal/duengerproduktion-mit-kaltem-plasma-und-windkraft-nahez-10819 

Man beachte die Daten der Veröffentlichungen. Dieses Wissen ist nicht neu. 

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