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Volatiles Silber: Noch schweigt der Preis-Zappelphilipp

Von Hans-Jörg Müllenmeister 

Sie kennen das abgegriffene Sprachspiel: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Diese Volksweisheit steht bei den Edelmetallen z.Zt. Kopf — wie auch vieles andere im Wunderland Deutschland. Hier schwingt die Abrissbirne munter landauf, landab. Um das sanft pendelnde Silber-Glöckchen ist es eher still geworden. Die Zeit ist reif, dem vergessenen Silber mehr Aufmerksamkeit zu gönnen.

Wir wollen bewusst nicht marktschreierisch von einer bevorstehenden Silberpreis-Explosion reden, vielmehr über Fakten und realistische Chancen. Nur einige, aber wichtige Aspekte der möglichen Überlebens-Prophylaxe „Silber“, seien hier angesprochen. Schließlich beleuchten wir am Ende das kommende Silber-Schauspiel in drei Akten.

Wie die sprichwörtliche Medaille, hat Silber als Wertspeicher zwei Seiten: Eine stark industriell geprägte und eine monetäre, die erst zu Unzeiten deutlich hervortritt. Fragen Sie nicht nur danach, was eine Silber-Unze dann kostet. Ihr Wert hängt zwar von gewissen Einfluss-Faktoren ab, entscheidend aber ist die Kaufkraft, denn auch das Umfeld prägt den Wert, die man dem Silber dann beimisst.  

Steht Industrie-Silber vor dem größten Comeback aller Zeiten? 

Womöglich, aber in zwei oder drei zeitlich versetzten, nadelartigen Preisschüben. Die vielfältig wachsenden Applikationen führen das Industrie-Silber in eine silberglänzende Zukunft, und damit auch sein exponentiell steigender Verbrauch. Meist ist das Edelmetall nur in winzigen Mengen in Produkten vertreten, dies aber gleich Milliardenfach in vielerlei Massenartikeln. RFID-Chips sind dafür beispielhaft. In der allerneusten Generation haben diese Chips durch Silberantennen eine höhere Reichweite. So ein Chip enthält zwar nur 0,01 Gramm Silber. Hier greift die treffliche Rede vom Kleinvieh, das auch Mist macht. Die Masse macht´s. 2030 sollen weltweit pro Jahr 6.000 Tonnen Silber allein für die Antennen in RFID-Etiketten verbraucht werden. Im Verein mit den zahlreichen anderen industriellen Silber-Applikationen ist da unweigerlich ein extremer Silberpreisanstieg vorprogrammiert. 

Silberminen und Fakten zum Silberverbrauch 

Die jährlich weltweite Silberproduktion betrug im Jahre 2023 rund 26.000 Tonnen. Man schätzt, dass in unserem Planeten noch etwa 530.000 Tonnen förderungsfähige Ag-Reserven schlummern. Sie sollen angeblich noch für rund 20 Jahre reichen. Alles je geförderte Gold der Erde ist fast “verlustlos“ seit eh und je immer vorhanden. Silber dagegen wird zum größten Teil unwiederbringlich durch industrielle Anwendungen regelrecht verbraucht. Und es gibt mehr als tausend Goldminen auf und unter der Erde, aber nur ein paar „reinrassige“ Silberminen. 

In einer Rezession bricht der „Minen-Beifang“ an Silber, etwa aus Kupfer-Minen, spektakulär ein. Zur Zeit liegt der jährliche Silberverbrauch bei etwa 27.500 Tonnen. Eine konservative Berechnung geht davon aus, dass im Jahre 2030 allein die weiter unten besprochene Anwendung (RFID-Chips), weltweit jährlich 6.000 Tonnen Silber verbraucht. Im Verein mit den zahlreichen anderen industriellen Silber-Applikationen ist unweigerlich ein extremer Silberpreisanstieg programmiert. Allein der Silberverbrauch für E-Fahrzeuge bis 2025 steigt auf 2.700 Tonnen.  

Und bedenken Sie folgendes: Die Menschheit wächst weiter munter exponentiell, zwar periodisch ausgedünnt durch aufgezwungene  Kriege. Außerdem: Das verbrauchte Silber lässt sich technisch nicht ökonomisch wiedergewinnen, auch wegen der geringen Einsatzmengen im Milligramm-Bereich, etwa in RFID-Chips. Silber hat zu Gold eine Art temporäre Seltenheit, trotz seines um etwa Faktor 100 geringeren Preises.  

Unverdiente Silber-Profiteure 

Hier sei angemerkt: Die Obrigkeit zog zu keiner Zeit dem Privaten Silber aus der Tasche, dagegen Gold mit diebischem Fleiß. Da wir einmal bei Ganoven sind, inzwischen hat sich  die Investment-Bank JP Morgan  ein Silberpolster von über 20.000 Tonnen zugelegt. Das ist der größte Hort an physischen Silberreserven in der Geschichte. Ihr Finanzspiel funktioniert so: Im Derivaten-Handel den Gold-Markt über Jahre nach unten drücken und billigst physisches Silber kaufen. Sobald die Herrschaften aufhören, den Silberpreis mit Put-Optionen künstlich nach unten zu drücken, wird der Silber-Kurs entfesselt, und das mit exorbitanten Gewinnen für diese Monopolisten, das versteht sich von selbst. 

 Das Edelmetall Silber ist in der Industrie alternativlos 

Wir gehen hier nicht im einzelnen auf alle einzigartigen physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften ein, die das Edelmetall Silber auf sich vereint. Das sind zwar die Hauptargumente für den enormen Verbrauch von Silber in der Industrie und damit für die hohe industrielle Nachfrage. Aber darüber gibt es bis zum Überdruss genügend Berichte. Hier sei nur von ein, zwei Zukunftsanwendung berichtet, die haben es aber in sich. 

Der Heiliger Gral der Quantenmechanik — da müssen wir durch 

Ein faszinierendes Thema: Zukunftsmusik oder bald Realität?

Der niederländische Nobelpreisträger Heike Kamerlingh Onnes, Pionier der Tieftemperaturphysik, entdeckte 1911 die sogenannte Supraleitung bei Quecksilber nahe dem absoluten Nullpunkt bei etwa - 273,15 Grad Celsius. Kurios und zugleich paradox: Obschon Silber der beste metallische Leiter ist, also dem Strom nur wenig Leitungswiderstand entgegensetzt, ist das Edelmetall Silber kein Supraleiter, der seinen Widerstand bei keiner noch so tiefen Temperatur verliert. 

Die Herausforderung besteht darin, ein geeignetes Material zu finden, das im Idealfall bei Raumtemperatur zum Supraleiter wird, also keiner Kühlung bedarf — etwa durch flüssigen Stickstoff (-196°C). Supraleiter sind also Materialien, die bei Erreichen der sogenannten Sprungtemperatur praktisch keinen elektrischen Widerstand mehr zeigen. Erst diese faszinierende Eigenschaft ermöglicht den verlustfreien Stromtransport.  

Da stellte jüngst ein US-Forscherteam ein Material vor, das selbst bei Raumtemperatur elektrischen Strom ohne Widerstand leiten kann. Dies wäre eine technische Revolution, ein sensationeller Durchbruch! „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Das ominöse Material besteht aus Lutetium (ein Metall der Seltenen Erden), Wasserstoff und Stickstoff. Aber wo bleibt da das Silber? Gemach, gemach. Sollte es in der Tat gelingen, eine Supraleitung bei Raumtemperatur zu erreichen, wären dadurch freier Transport von Energie, extrem schnelle Computer und absolut präzise Sensoren denkbar. Nur soviel zur Physik: Neben dem Erschaffen eines Quantencomputers, gilt die Supraleitfähigkeit über dem Gefrierpunkt von Wasser als eine Art heiliger Gral der Quantenmechanik. Physiker und Ingenieure sind diesem Traum in den letzten Jahren in der Tat sehr nahe gekommen. 

Silber als Kandidat für die Hoch-Temperatur-Supraleiter-Technologie 

Nach dem bisher Gesagten fragen Sie mit Recht, wie sich Silber in diese HTS-Technologie einbringt. Dazu sei nur soviel verraten: Verbindungen aus Silber und Fluor könnten eine vielversprechende Quelle für diese Technik sein, so die amerikanischen Forscher der Cornell Universität in Ithaka. In Silberfluorid-Systemen lässt sich bereits ein magnetisches Verhalten beobachten, das sich mit der Existenz einer supraleitenden Phase vertragen würde. 

Die technische HTS-Umsetzung steht ante portas 

Die Choreographie des Silberpreises ist nachhaltig vom wachsenden Bedarf für die Hochtechnologie bestimmt. Immer wieder erschließen sich neue Anwendungsbereiche, die eine Unmenge an Silber absorbieren, so wie eben in der noch wenig bekannten HTS-Technik. Diese wird in der Anwendung Abermillionen Unzen Silber verschlingen. Ein hochspannendes Thema. Schon jetzt unternimmt das US-Militär immense Anstrengungen bei HTS-Antriebsmotoren für U-Boote. Diese Technik erlaubt eine kompakte Bauweise. Allein dafür schätzt man den Verbrauch bei 100 Millionen Unzen in den nächsten Jahren. 

Und hier nun meine spekulative Zukunftsvision, also noch keine Realität, aber ich kann mir vorstellen, dass die USA ihr marodes landesweite Energieversorgungsnetz irgendwann mit unterirdisch verlegten Supraleitern auf Silberbasis sanieren müssen. Abertausende Tonnen Silber wären dazu nötig. Da kämen zunächst nur Großtrassen in Betracht, die gegen Hurrikan und Terrorangriff so optimal geschützt wären. Diese Trassen böten dem Strom keinen Leitungswiderstand, hätten also keinen Energieverlust wie herkömmliche Hochspannungsleitungen. Nicht auszudenken, wenn auch China mit seinem landesweiten, tausende Kilometer weiten Überlandnetz nachzöge. Bis zu 30% Stromverlust ließen sich so durch den Einsatz von Silber in Supraleitungen vermeiden. Der Silberpreis würde explodieren und seinem gelben Gold-Bruder Mores lehren. 

Brillante Aussichten: RFID (Radio Frequency Identification) 

Vier- und demnächst wohl auch naive Chip-willige Zweibeiner werden zunehmend mit RFID-Chips auf Silberbasis „angereichert“. Man stelle sich das vor: Allein die gesamte Chip-beglückte Menschheit wäre damit ein wandelnder Silberberg von 75 Tonnen. Da weltweit milliardenfach auch verbreitet, erschlösse sich hier dem Industriemetall Silber ein gigantischer Markt. Was leistet ein RFID-Chip? Diese winzigen berührungslosen Datenträger sind funkgesteuert über eine Silber enthaltende Antenne. Sie dient dem automatischen Identifizieren und Erfassen von Daten. Nur einige Anwendungsbeispiele: Zutrittskontrollsysteme, fälschungssichere Banknoten, Medikamente, Personen- und Tier-Identifizierung, Verkehr, Zeiterfassung. 

Das Silber-Drama in drei Akten 

Akt 1 des Schauspiels im Nahbereich: Die ersten Spekulationsgelder fliessen aus dem Gold ins Silber, sie treiben seinen Preis auf vielleicht 35 Dollar. Langsam wird dann am Markt bewusst, dass der Silbervorrat schneller schmilzt als angenommen. 

Akt 2 des Dramas. Es könnte eine Reihe von Fed-Kulissenschiebereien geben, die den Silberpreis antreiben. Da wären 100 Dollar pro Feinunze vielleicht im Zeitraum 2026/27 angesagt.  

Akt 3 Im dritten Auftritt spielt womöglich eine aufkommende Hyperinflation die maßgebende Rolle. Selbst ein Zusammenspiel der Auguren ist denkbar. 

Da gibt es eine historische Korrelation zwischen dem US-Verbraucherpreis-Index und dem Silberpreis. Der nominale, als nicht inflationsbereinigte Silberpreis hinkt dem Verbraucher-Preisindex hinterher. Das ist auf die geldpolitischen Interventionen der Zentralbanken in den letzten Jahren zurückzuführen.  

Sobald die Zinsen nicht mehr steigen, könnte der Silberpreis endgültig nach oben korrigieren. Was wir auf einem langfristigen Silberpreis-Chart deutlich erkennen, ist ein Weg in Richtung 50 Dollar: Das Tasse-Henkel-Muster im Chart ist dafür ein zuverlässiges Zeichen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Silberpreis in nicht allzu ferner Zukunft auf 50 Dollar, seinem früheren Allzeithoch steigt und dann aber auf massivem Widerstand stösst. 

Der weitere Pionierweg des Silberpreises in Richtung 100 Dollar ist allerdings keine Rennbahn. Im Falle einer Hyperinflation würde ein Anstieg des Silberpreises auf 100 Dollar andererseits einen großen Kaufkraftverlust bedeuten, der sich für alle von uns sehr negativ auswirken würde. 

Der große Anstieg des Silberpreises auf 100 Dollar erfordert schon außergewöhnliche Bedingungen, etwa eine extreme Silberknappheit oder eine Reihe von Zinssenkungen, Hyperinflation, sogar eine  Kombination davon wäre denkbar. All diese Antreiber sind noch nicht aktiv auf der Silber-Bühne, am ehesten denkbar wäre schon bald eine notorische Silberknappheit. Man kann aber sagen, dass ein Anstieg des Silberpreises auf 100 Dollar im Jahr 2024 oder 2025 noch unwahrscheinlich ist, es sei denn, die Silberknappheit wächst sich dramatisch aus. 

Zu guter Letzt ein Tip 

Goethe sagt ihn seinem Bildungsroman Wilhelm Meisters Lehrjahre: 

„Die Kunst ist lang, das Leben kurz, das Urteil schwierig, die Gelegenheit flüchtig. Handeln ist leicht, Denken schwer; nach dem Gedanken handeln unbequem“. 

Diese Worte erinnern uns daran, dass unser Leben vergänglich ist und wir klug handeln sollen, um uns vor den Stürmen des Lebens zu schützen. Und immer wenn der Mensch seine materielle Sucht mit seiner Menschlichkeit bezahlt, dann ist er eben kein Mensch mehr. 

Deshalb rate ich Ihnen, sich gegen aufziehende Lebensgewitter der nächsten Jahre entsprechend zu rüsten — angemessen zur Ihrer statistischen Lebensrestlaufzeit. Im Gegensatz zu Gold ist Silber als Wertspeicher im täglichen Gebrauch das wesentlich handsamere Zahlungsmittel! Es wäre unklug, wenn ein angealterter Mensch all seine letzten Ersparnisse nur in Silber anlegt oder ein junger Mensch keine Ag-Vorsorge betriebe. Gleichwohl, den besten Schutz gegen politische Willkür und wirtschaftlichen Blitzeinschlag, bietet eine besondere Art des Faraday-Käfig aus Silber. Das können vorzugsweise Maple Leaf-Silbermünzen oder auch Silber-Barren sein. 

Leben Sie wohl mit Ihrem „Silberstreif am Horizont“, erst recht, wenn sich die Weltereignisse überschlagen.

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