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Kann das Existenzrecht Israels rational begründet werden?

Von Peter Haisenko 

Das Existenzrecht Israels wird behandelt wie ein religiöses Mantra. Jegliche Überlegungen ob seiner Richtigkeit sind ein Tabubruch, der mit Exkommunikation bestraft wird. Das darf es aber in einer freiheitlichen Demokratie nicht geben und so wage ich es, dieses Thema anzugehen.

Der Staat Israel und die USA haben etwas gemeinsam. Beide Staaten wurden gegründet von Invasoren mit überlegenen Waffen, die die indigene Bevölkerung vertrieben, ermordet und das, was übrig geblieben ist, in immer kleinere Reservate verbannt haben. Dasselbe gilt auch für Kanada, Australien und Neuseeland. Israel befindet sich aber in einem anderen Umfeld als die anderen. Die zeichnet eine Insellage aus die ausschließt, dass rundherum von Brudervölkern der Indigenen Hilfe kommen kann. Israel hingegen ist umschlossen von arabischen Ureinwohnern. Will man in diesem Umfeld überleben, wäre es angebracht, sich mit diesen freundlich zu arrangieren.

Was man mit Gewalt beginnt, kann man nur mit Gewalt behalten.“ Mahatma Gandhi

Seit einhundert Jahren herrscht Gewalt und Terror in Palästina, von allen Seiten. Nachdem das British Empire das Osmanische Reich zerschlagen hat, hat England gezielt den Hass in Palästina hergestellt. Siehe hier. England hat die Situation solange verschärft, bis es 1948 notwendig war, einen Staat Israel zu gründen. Diese Notwendigkeit wurde unterfüttert mit dem Leid, dass Juden durch Deutschland zugefügt worden ist. Nach und nach ist daraus die Doktrin entstanden vom Existenzrecht Israels. Man bedenke aber, dass selbst Theodor Herzl keinen Staat Israel gründen wollte. Damit steht er in einer Linie mit orthodoxen Rabbinern, die einen rein jüdischen Staat ablehnen. Das hat gute Gründe.

Ein jüdischer Staat kann ohne Gojim nicht funktionieren

Ich werde mich hier nicht in religiöse Argumente verlieren, wie etwa die Aussage von Rabbinern, dass Juden vor 3.000 Jahren mit Jahwe ausgemacht hatten, niemals einen eigenen Staat zu gründen. Ich beschränke mich auf praktische Aspekte: Der Sabbat und seine Regeln, insbesondere für Strenggläubige. Jegliche Form von Arbeit ist am Sabbat verboten. Das führte dazu, dass die israelische Fluggesellschaft El Al lange Zeit am Samstag nicht geflogen ist. Je nachdem wie streng das Arbeitsverbot angewendet wird, kann das zu für uns seltsam erscheinenden Auswüchsen führen.

Vor einigen Jahren war ich in Israel, im Hotel „David“ in Tel Aviv. Da gibt es acht Aufzüge, die von der Lobby zu den Zimmerfluren fahren. Es war Samstag. Einer der Lifte war so geschaltet, dass er in jedem der 20 Stockwerke anhielt, die Türen öffneten und schlossen sich und es ging weiter in die nächste Etage mit demselben Verfahren. Ich wurde aufgeklärt, dass das Drücken/ Berühren der Liftknöpfe Arbeit ist und man so ohne Arbeit zu verrichten zu seinem Zimmer kommen konnte. Mein Frage, wie man dann die Zimmertür öffnen sollte, wurde nicht beantwortet. Dieser Lift heißt „Sabbatlift“.

Natürlich gibt es einfachere Beispiele für das Leben am Sabbat. Wer macht den Tankwart? Wer serviert in den Cafés? Wer kocht dort? Wer sorgt dafür, dass die Infrastruktur funktioniert, repariert wird? Es geht um die ganz einfachen Dinge, die Leben und Wohlsein am Feier-/Ruhetag erst ermöglichen. Und was ist mit Industrieanlagen, die unbedingt kontinuierlich durchlaufen müssen, weil sie sonst unwiederbringlich kaputt sind? Das aber heißt, dass am Sabbat gläubige Juden darauf angewiesen sind, dass Nicht-Juden, Gojim, die notwendigen und weniger notwendigen Arbeiten verrichten. In diesem Sinn erhält die Absage von Rabbinern an einen rein-jüdischen Staat eine geradezu zwingende Logik.

Der Staat Israel und die demokratischen Menschenrechte

Ich betrachte den Staat Israel von Beginn an als eine Fehlkonstruktion. Zuerst bestand er aus einem Flickenteppich inmitten von Gebieten, die den Palästinensern zugesprochen waren. Ja, auch von den UN. Es gab eine Resolution, die die Wahrung der Rechte von allen religiösen Gruppen als Voraussetzung für diese Gründung forderte. In diesem Sinn wäre nur zulässig gewesen, einen Staat zu gründen, einen israelisch-palästinensischen Staat, in dem ein Parlament von allen Menschen gebildet wird, die dort leben. Also ein Parlament, in dem Palästinenser mit ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sind. Das wollten die Juden dort aber nicht, denn dann wären sie zu der Zeit eine Minderheit gewesen. Dieses dergestaltige Parlament hätte nicht zugelassen, dass Millionen Palästinenser vertrieben und in Flüchtlingslager verbannt worden wären, wo sie teilweise bis heute, also 75 Jahre später, immer noch dahinvegetieren.

Hätte es von Anfang an ein gemeinsames, demokratisches Parlament gegeben, hätte keine Gewaltanwendung erfolgen müssen. Man hätte gemeinsam am Aufbau eines Staates arbeiten können und ein gemeinsames Interesse hätte verhindern können, dass eine Volksgruppe gnadenlos dominiert wird. Sogar noch im Jahr 2016 hat sich die UN damit beschäftigt: Der Sonderberichterstatter rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, einen auf Rechten basierenden Ansatz zur Friedensschaffung im Nahen Osten zu entwickeln und die zahlreichen Instrumente der Rechenschaftspflicht einzusetzen, um Israel wieder in Einklang mit dem Völkerrecht zu bringen. “Nur ein Ansatz, der auf Rechenschaftspflicht, Gleichheit und vollen Rechten für alle beruht, kann die Möglichkeit einer gedeihlichen und gemeinsamen Zukunft für Palästinenser und Israelis gleichermaßen schaffen.” Das sagt S. Michael Lynk, Sonderberichterstatter für die Lage der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten.

Man sieht folglich, dass ich mit meinen Überlegungen nicht allein stehe, sondern auch, dass es bis heute innerhalb der UN genauso gesehen wird. In diesem Sinn, auch was die Landnahme Israels, die „Siedlungspolitik“, betrifft, gab es viele UN-Resolutionen und die Herren Israels haben sich nicht einmal ansatzweise daran gehalten. Die den Palästinensern zugewiesenen Gebiete wurden immer kleiner und heute hat sich die Situation bei der Gründung Israels ins Gegenteil verkehrt. Die Gebiete für Palästinenser sind nur noch ein absurder Flickenteppich. Wie sollte da eine „Zweistaatenlösung“ funktionsfähig sein? Darf man sich da wundern, wenn sich unter Palästinensern unstillbarer Hass entwickelt hat? Wenn aus schierer Ohnmacht terroristische Anschläge entstehen?

Kann aus einem Unrecht Recht abgeleitet werden?

Um die Gründung und Existenz des Staats Israel zwingend erscheinen zu lassen, wird der Holocaust bemüht. Es dürfe niemals wieder geschehen, dass Juden derartiges Unrecht zugefügt wird, wie sie es in Hitlerdeutschland erleiden mussten. Nur ein Staat Israel könne das gewährleisten. Tatsächlich hat sich aber gezeigt, das genau das nicht erreicht werden konnte. Mit der Gründung Israels flammten Pogrome auf in islamisch geprägten Staaten und zwangen Juden, semitische Juden, zur Flucht in den jungen Staat Israel. Wie sollte das kleine Israel das verhindern können? Wieviele Menschen, Juden und Araber, sind in den folgenden Kriegen zu Tode gekommen? Wie sehr hat sich Judenhass entwickelt in arabischen Staaten, in denen Juden vorab friedlich leben konnten? Interessant dabei ist, dass ausgerechnet Juden in Persien, Iran, nicht betroffen waren. In dem Iran, den Israel zum Erzfeind erklärt hat und der mit der gleichen Münze reagiert hat.

Man kann ein Unrecht nicht kompensieren oder neuerliches verhindern, indem man selbst Unrecht begeht. Erlittenes Unrecht berechtigt nicht dazu, selbst Unrecht zu begehen. Noch dazu gegenüber Menschen, die an den Gräueltaten des Holocaust nicht beteiligt waren. An Arabern. Aber Araber und Juden haben in ihrer Kultur die Rache, bis zur Blutrache. So war die Gründung Israels in dieser Form der Beginn einer Gewaltspirale die bis heute andauert, ja stetig zunimmt und jetzt gerade eine hässliche Spitze erklommen hat. Auf beiden Seiten.

Ein friedliches Israel ist ein Oxymoron

Das Projekt Israel kann als gescheitert bezeichnet werden. Es hat keinen Frieden gebracht. Es hat nach 1990 eine Zuwanderung von Millionen „Ostjuden“ nach Palästina gebracht, die nicht nach Israel gewandert sind, weil sie in einem Judenstaat leben wollen, sondern der Armut in ihren Herkunftsländern entkommen wollen. Wiederum interessant daran ist, dass diese Zuwanderung von Juden aus Russland nahezu versiegt ist, nachdem Putin Russland aus dem Griff des Westkapitals befreit und stetig bessere Verhältnisse in Russland geschaffen hat. Juden aus der korrupten Ukraine haben aber weiterhin Zuflucht in Israel gesucht. Sogar der ukrainische Präsident Selenskij hat für seine Eltern in Israel ein herrschaftliches Haus erworben und sie leben dort. Wie verrückt muss es da erscheinen, wenn jetzt dieses Haus bedroht ist durch Waffen, die wahrscheinlich aus der Ukraine zur Hamas verbracht worden sind?

Dieser „real existierende“ Staat Israel war von Anfang an eine Fehlkonstruktion, die allen demokratischen und völkerrechtlichen Prinzipien Hohn spricht. Er ist zu einem Ort steter und ansteigender Gewalt geworden. Deswegen zitiere ich nochmals Mahatma Gandhi: „Gutes kann niemals aus Lüge und Gewalt entstehen.“ Um diese Gewaltspirale zu durchbrechen, muss das gesamte Gebiet neu aufgestellt werden. Um zu Frieden zu finden, muss das Dogma vom „Existenzrecht Israels“ beiseite gelegt und ersetzt werden durch ein Konstrukt, das das Lebensrecht, die Menschenrechte und Würde für alle Menschen in und um Palästina als oberstes Gebot sieht.

Man kann ein Problem nur lösen, wenn man die Wurzeln des Problems aufdeckt

Damit das aber möglich sein kann, muss den Menschen dort, Juden und Arabern/Palästinensern, das Wissen darüber vermittelt, verinnerlicht werden, dass sie beide Opfer der perfiden Politik Englands geworden sind. Dem England des British Empire, das verhindern wollte, dass dort ein mächtiger transarabisch-jüdischer Staat entsteht, der es nicht mehr erlauben wird, dass seine Bodenschätze, das Öl, von England und den USA ausgebeutet werden. Erinnern wir uns: Nach den Grenzziehungen nach 1917 durch England haben die USA, England und Frankreich die Ölförderung im Irak/Bagdad an sich gerissen und für den Irak nur fünf Prozent des Gewinns gestattet. So, wie es England auch in Persien gemacht hat. Als dort der demokratisch gewählte Präsident Mossadeq diesen Raub beendet hatte, hat England die CIA zur Hilfe gerufen und die demokratisch gewählte Regierung weg geputscht. Der amerikahörige Schah und sein Geheimdienst Savak haben dann das Land übernommen. Das heißt, auch der heutige Ärger mit dem Iran geht auf das Konto der Briten.

Vergessen wir nicht, die Juden wurden in Palästina willkommen geheißen, als Weg, als Helfer in die Moderne, bis England das hintertrieben hat. Auch bei dem Konstrukt des Staats Israel hatte London seine Finger drin. Es wäre das erste mal, dass die Briten nach ihrem Abzug konfliktfreie Staaten zurückgelassen hätten. Bezüglich des Existenzrechts Israels sollte auch darüber nachgedacht werden, ob überhaupt ein Existenzrecht für irgendeinen Staat reklamiert werden kann. Ganz gleich wie alt oder jung ein Staat ist. Jeder Staat ist ein Konstrukt, ein Machtbereich und kann jederzeit auch wieder zerfallen. Für das Deutsche (Kaiser-)Reich zum Beispiel gab es kein Existenzrecht, jedenfalls nach Meinung Englands.

Palästina könnte ein reiches Land werden

Die Geschichte Israels ist eine Geschichte von Gewalt, Vertreibung und ewiger Konflikte. Das quasireligiöse Dogma vom Existenzrecht Israels ist folglich nicht geeignet, diesen Zustand zu verbessern. Der Vernichtungskampf um Gaza hat auch etwas mit den Gasvorkommen vor der Küste Gazas zu tun. Das heißt aber auch, dass die gesamte Region, Palästina, im Reichtum leben könnte, wenn die Menschen dort gemeinsam am Gasreichtum teilhaben könnten. Es würde für alle ausreichen. Vor allem deswegen, weil dann die irrsinnigen Ausgaben für Militär gegen Null gesetzt werden könnten. 

Würde man also Palästina neu aufstellen, einen Staat errichten, der die Menschenrechte und die Würde aller gleichberechtigt achtete, dann könnte diese Region zurückfinden zu den geradezu paradiesischen Zuständen, die dort vor 1917 zu beobachten waren. Eben bevor England Hass und Zwietracht gesät hatte. So, wie England auch Zypern aus dem Paradies vertrieben hat. Ganz nebenbei ist auch zu bedenken, dass bei der aktuellen Bevölkerung in Palästina, die Juden in einem gemeinsamen Parlament mit Palästinensern nicht mehr die Minderheit wären. So gibt es dieses Argument auch nicht mehr. Frieden ist nur möglich, wenn demokratische Grundsätze und Menschenwürde für alle ohne Ausnahme gelten. Und ja, Juden sollen ein Existenzrecht in Palästina haben, aber nicht zum Preis der Vertreibung derjenigen, die „schon immer“ da waren.

Sehen Sie dazu ein Analyse aus den USA an, die zu dem Schluss kommt, dass Israel von der Landkarte verschwinden könnte, wenn sie so weiter machen, wie bisher:
ttps://www.youtube.com/watch?v=ZKvWO-5VggA&t=64s

Hier können Sie die PDF herunterladen, die die Gründe für die Entwicklung von Hass und Gewalt in Palästina offen legt, während der Jahre 1917 bis 1948, also von der Zerschlagung des Osmanischen Reichs bis zur Gründung des Staats Israel: 
https://www.anderweltonline.com/fileadmin/user_upload/upload_Redaktion/PDF/PDF_2023/Die_Gru__ndung_des_Staats_Israel.pdf 

Das koschere Kondom

Ganz zum Schluss präsentiere ich ein Schmankerl, das zeigt, wie das Rabbinat die Regeln des Talmut geradezu rabulistisch so auslegen kann, dass sie für die moderne Welt tauglich sind. Im Sommer 1986 war ich in Tel Aviv. AIDS war gerade das große Thema und der einzig verfügbare Schutz davor waren neben Enthaltsamkeit nur Kondome. Nun ist es aber gläubigen Juden nur erlaubt, Geschlechtsverkehr mit dem Ziel der Vermehrung zu praktizieren. Was im Übrigen auch für strenggläubige Katholiken gilt. Das Problem musste gelöst werden: Schutz vor AIDS gegen Vermehrung. Gerade als ich in Israel weilte, berichteten die Zeitungen dort über das koschere Kondom, also ein Kondom, dass auch von strenggläubigen Juden verwendet werden darf. Dieses spezielle Kondom hat irgendwo ein winziges Loch erhalten, das zumindest theoretisch eine Befruchtung ermöglicht. In diesem Sinn sollte es dem Rabbinat auch gelingen, den Talmut so auszulegen, dass ein friedliches Zusammenleben mit den Palästinensern nicht nur empfohlen, sondern als zwingend vorgeschrieben erkannt wird.

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