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Die Kleinteiligkeit zerstört unser Leben

Von Peter Haisenko 

Alles soll bis ins letzte Detail geregelt sein. Nichts darf dem Zufall überlassen werden. Die Preisgestaltung verliert sich in Centbeträgen. Aber welchen Sinn soll ein Geldstück haben, mit dem man nichts kaufen kann?

Als ich ein Kind war, Mitte der 1950-er Jahre, konnte ich zum Gemischtwarenladen an der Ecke gehen und für einen Pfennig ein oder zwei Gummibärchen kaufen. So war jeder einzelne Pfennig ein Geldstück, das nicht völlig sinnlos war. Versuchen Sie doch heutzutage mal, irgendetwas für einen Cent einzukaufen. In diesem Sinn hat Finnland schon lange die Ein- und Zweicentmünzen aus dem täglichen Barzahlungsverkehr verbannt. Die Cent-Beträge werden nur noch benutzt, Verbraucher hinters Licht zu führen. Ein Preis von 99 Cent signalisiert, dass das Produkt keinen ganzen Euro kostet. Auf der anderen Seite gibt es kaum noch Läden, wo man einzelne Schrauben kaufen kann. Im Baumarkt erwirbt man eine ganze Schachtel und weiß dann nicht, wohin mit dem Rest.

Betrachtet man die Zustände früherer Zeiten sollte man ins Grübeln kommen. Wie war es möglich, dass auch kleine Läden oder Handwerksbetriebe nicht nur überleben, sondern eine Familie ernähren konnten? Es gab damals zwar auch Pfennigstücke, aber die waren als solche viel mehr wert als heute, weil sie die andauernde Inflation noch nicht entwertet hatte. Daraus lässt sich eine einfache Folgerung ziehen: Wenn das kleinste Geldstück, also die kleinste Verrechnungseinheit, einen gewissen Wert hat, dann wird auch der kleinste Gewinn einen gewissen Wert haben. Und zwar so viel, dass es nicht notwendig ist, erst tausende Stück verkaufen zu müssen, damit ein ausreichender Ertrag abfällt. Das hat lange ziemlich gut funktioniert so. Nun könnte man meinen, die auf den Cent kalkulierten Waren würden dem Verbraucher zugute kommen.

Nur noch Großkonzerne werden überleben

Das ist Augenwischerei. Tatsächlich fördert das die Großbetriebe, die Konzerne, und verlagert die vielen kleinen Gewinne kleiner Läden und Betriebe hin zu sehr wenigen Besitzern großer Einheiten. Und ja, natürlich muss der Verbraucher jetzt etwas weniger bezahlen, aber wie viele kleine mussten dafür ihr Geschäftsmodell aufgeben und haben dadurch auch weniger Geld in der Tasche. Die „kleine Welt“ als solche funktioniert nicht mehr, wenn alles auf große Stückzahlen ausgelegt ist, damit überhaupt noch ein Gewinn realisierbar ist. Das bedingt über Kurz oder Lang, dass es nur noch Großkonzerne geben wird. Wollen wir das?

Die Rechnerei mit Cent-Beträgen oder sogar Teilen derselben ist nur eine Seite. Wenden wir uns in diesem Sinn der Gesetzgebung zu. Es gibt kein einziges Gesetz mehr, das nicht durch hunderte Unterparagraphen seines Sinns beraubt ist. Jeder auch nur im Entferntesten denkbare „Sonderfall“ muss mit mindestens einem Unterparagraph abgedeckt werden. Dann kommen die Juristen, die sich daran abarbeiten und damit ihr Geld verdienen, um herauszufinden, ob nicht mancher aufgeführte Sonderfall im erweiterten Sinn auf etwas anderes anwendbar ist. Und schon wird die nächste Gesetzesnovelle aufgelegt, um diese Lücke zu schließen. Aber dieses noch kleinteiligere Gesetz wird wieder neue Lücken eröffnen, die nach der nächsten Novelle verlangen. Es ist ein ewiger Teufelskreis zur Freude korinthenkackender Juristen, der letztlich alles zum Stillstand bringt.

Ein gutes Gesetz ist wie die „zehn Gebote“ - einfach

Nehmen wir als Beispiel die StVO, die Straßenverkehrs-Ordnung. Der § 1 lautet:
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
Damit ist doch schon alles gesagt. Eigentlich. Vorausgesetzt, es gäbe keine Juristen, die sich daran abarbeiten, was denn nun als unvermeidbar gelten darf, um nur ein mögliches Beispiel zu nennen.

Niemand soll mit einer eigenständigen Entscheidung belastet werden

Unser gesamtes Rechtssystem leidet darunter, dass Ermessensentscheidungen ausgeschlossen werden sollen. Das führt dazu, dass zwar juristisch einwandfreie Ergebnisse erzielt werden, die aber mit einem natürlichen Rechtsempfinden nicht mehr vereinbar sind. Eine andere Folge ist, dass es keine Entscheidungsträger mehr gibt, die für ihre „Entscheidungen“ verantwortlich sind. Sie treffen keine Entscheidungen. Sie wühlen sich nur durch die Unzahl an Vorschriften und Gesetzen um zu einem Ergebnis zu kommen, wofür sie nicht juristisch belangt werden können. Weil es aber derart viele Paragraphen und Unterparagraphen gibt, dauert es unendlich lange, bis ein Bescheid verkündet wird. Wiederum aus demselben Grund kann man dann sicher sein, dass etwas übersehen worden ist und der nächste Jurist diesen Bescheid anfechten wird.

Das ist der Grund, warum wichtige Entscheidungen mittlerweile bereits in der Planungsphase stecken bleiben. Man denke da nur an die Zulaufstrecken der Bahn zu den bereits fertiggestellten oder fast fertiggestellten Tunnelsystemen durch die Alpen. Oder an Flughäfen, Bahnhöfe und Umgehungsstraßen. Die vollständige Liste wäre endlos. Auch die Abschiebepraxis sollte nicht übersehen werden. Wer wird denn abgeschoben? Zumeist sind es diejenigen, die sich ernsthaft integriert und eine Arbeitsstelle haben. Die sind greifbar ohne großen Aufwand, aber niemand versteht, warum gerade diese abgeschoben werden und verurteilte Straftäter nicht. Aber keiner derjenigen, die für diese Fehlentscheidungen verantwortlich sind, kann belangt werden, denn man hat juristisch korrekt gehandelt. Wenn aber jemand eine menschlich nachvollziehbare und vernünftige Entscheidung träfe, dann müsste derjenige schon um seine Karriere bangen. Ja, er läuft Gefahr, selbst vor Gericht zu landen.

Das unselige Erbe der NS-Zeit

All das ist auch eine Folge der NS-Zeit. Willkür soll ausgeschlossen sein. Niemand soll Gefahr laufen, wegen persönlicher Missgunst Nachteile zu erleiden. Oder andersherum unbillige Vorteile wahrnehmen können. Es ist der untaugliche Versuch, absolute Gerechtigkeit herzustellen. Die Praxis hat aber gezeigt, dass kein noch so „durchdachtes“ Gesetz das herstellen kann. Im Gegenteil ist es so, dass der Versuch, Randgruppen oder Minderheiten besonders zu schützen, dazu geführt hat, dass ebendiese sich so unbillige Vorteile ergattern können. Warum sind gerade in der Politik übermäßig viele aus diesen Randgruppen zu finden? Kaum jemand will sich der Gefahr aussetzen, als „Schwulenhasser“ gebrandmarkt zu werden, weil er einem Homosexuellen einen Aufstiegsposten verweigert. Dieser Vorgang kann fachlich völlig korrekt sein, aber wenn der betroffene die „Schwulenkarte“ zieht, hat man einfach schlechte Karten. Oder wird in anderen Fällen als Antisemit oder Rassist ins Abseits gestellt.

Wie war das Leben früher überhaupt möglich?

Allein im Jahr 2023 sind mehr als 200 Gesetzesnovellen verabschiedet worden. Da muss man sich doch fragen, wie wir das Jahr oder die Jahre vorher überhaupt überleben konnten. Ging es uns 2022 schlechter als 2023? Gab es eine einzige Gesetzesnovelle 2023, von der gesagt werden kann, dass sie unser Leben entscheidend verbessert hat? Ist es nicht eher so, dass die meisten dieser Novellen dem Versuch geschuldet sind, die Fehler in den Novellen der vergangenen Jahre zu korrigieren? Oder besser abzumildern? Wäre es nicht besser, ehrlicher, gewesen, die fehlerhaften Gesetze einfach zu annullieren? So, wie Herr Habeck die Förderung für E-Autos einfach beendet hat? An diesem Beispiel sieht man, dass ein solches Vorgehen möglich ist. Warum werden die überbordenden Bürokratiemonster nicht ebenso einfach annulliert? Schließlich wird uns seit Jahren vorgegaukelt, man wolle die Bürokratie entschlacken. Die Bürokratie, die unsere Wirtschaft und unser Leben zum Stillstand bringt.

So komme ich zu dem Schluß, dass unsere Welt wieder auf das menschliche Maß zurückgeführt werden muss. Auf Maßstäbe, die mit dem Leben und dem natürlichen Rechtsempfinden vereinbar sind. Dass damit aufgehört wird den Menschen vorzugaukeln, sie hätten einen Vorteil, wenn sie ein Produkt für 99 Cent kaufen können, anstatt einen ehrlichen ganzen Euro dafür zu bezahlen. Es wird eine Herkulesarbeit sein, im „Kampf gegen die überbordende Bürokratie“ unnötige, ja schädliche Gesetze tatsächlich abzuschaffen. Ach ja, da würden dann Juristen arbeitslos und die sind im Bundestag überreichlich vertreten. Der Versuch, alles bis ins Kleinste regeln zu wollen, kann letztlich nur ins Chaos führen und nimmt uns die letzten Reste an Freiheit, ja sogar die Möglichkeit, den „freien Willen“ auszuüben. Die Kleinteiligkeit in allen möglichen Bereichen zerstört unser natürliches Leben und widerspricht dem menschlichen Maß. Sie ist widernatürlich. Schließlich wachsen an den Bäumen keine halben Äpfel und halbe Menschen gibt es auch nicht.

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